Xenoblade Chronicles: Eine Offenbarung für J-RPG Fans?
Prolog
Man kann sagen was man will, aber die aktuelle Konsolengeneration sprühte nicht gerade vor guten japanischen Rollenspielen. Die wirklichen Highlights waren bisher „Tales of Vesperia“, „Blue Dragon“ oder „Lost Odyssey“. Und natürlich das sehr umstrittene „Final Fantasy XIII“. Da gab es zumindest auf den Handhelds schon ein bisschen mehr. Stichwort: „Dragon Quest“. Aktuell dürfen sich Wii-Besitzer an „Xenoblade Chronicles“ erfreuen. Und kann es denn überhaupt die ganzen hungrigen J-RPG Spieler befriedigen? Oh ja, das kann es. Und noch vieles, vieles mehr.
Groß, größer, Titanen
Zum beginn des Spiels wird man mit einer imposanten Einführungssequenz begrüßt. Die Welt von Xenoblade besteht aus 2 riesigen Titanen. Bionis, die Heimat allen organischen Lebens, und Mechonis, welcher von mechanischen Wesen bevölkert wird. Vor langer Zeit tobte ein Kampf zwischen den beiden Titanen solange bis sie sich gegenseitig stark verletzten und zum stillstand kamen. Nun werden die beiden Titanen nur noch durch ihre Schwerter, welche als Brücken dienen, verbunden. Eines Tages wird Bionis von den Mechon angegriffen, woraufhin sich die auf Bionis ansässige Menschenrasse, Homs genannt, zur Wehr setzt. Hier entsteht erst einmal die Grundmotivation für den Anfang des Spiels und gleichzeitig des Tutorials. Ein großer Pluspunkt wird bereits hier direkt klargemacht: Xenoblade ist dramatischer und spannender als so mancher Hollywood-Blockbuster. Vor allem die Inszenierung ist einfach nur fantastisch. Besonders für die Wii, welche jetzt nicht gerade als Grafikmonster bekannt ist. Aber trotzdem dürfen auch Besitzer eines Full-HD Gerätes beruhigt sein, auch auf dem HD-Bildschirm sieht Xenoblade noch sehr, sehr gut aus. Auch die britischen Synchronstimmen passen bei den jeweiligen Charakteren wie die Faust aufs Auge. Und dieser Eindruck ändert sich auch nicht über die gesamte Spiellänge. Bei dem Kampfsystem sieht das etwas anders aus, auch wenn es auf den ersten Blick nicht nur überladen sondern auch sehr Action-orientiert aussieht, ist das Interface in der Wirklichkeit überschaubar und das Kampfsystem ist rundenbasiert. Fast. Denn so wie es aussieht hat Xenoblade sich einige MMO-Leihen angeeignet. So attackieren alle Charaktere in einem gewissen Zeitraum immer automatisch, und es lässt sich leicht die MMO-typische Einteilung in DDs, Tanks, Healer, Buffer etc. erkennen. Allgemein ist zu sagen das sich Freunde von Spielen wie „World of Warcraft“ oder „Runes of Magic“ ganz heimisch fühlen werden.
Das Ausrüstungsmenü
Aber trotz dieser vielen Anleihen an ein pures Online-Spiel ist Xenoblade dennoch das genaue Gegenteil: Ein reinrassiges JRPG für Einzelspieler. Denn, wie bereits oben erwähnt, ist das Kampfsystem zum Teil rundenbasiert. Bedeutet man hat eine Gruppe mit 3 Charakteren und spielt einen davon als Hauptcharakter, und wählt mit diesem während der Kämpfe konstant Aktionen aus welche sich mit der Zeit mehr oder weniger schnell aufladen. Dies hängt wiederum davon ab wie sehr man sie trainiert hat. Oder welche Ausrüstung man trägt. Oder welches Juwel man gerade gesockelt hat. Rollenspiel typisch bietet Xenoblade hier wahnsinnig viele Möglichkeiten sich selbst die Werte, die einem persönlich wichtig erscheinen, zu erhöhen oder sie sogar zu verringern. Durch die vielen verschiedenen Möglichkeiten kann man seine Art zu kämpfen immer wieder neu variieren. Dazu gibt es noch eine Gruppenleiste die sich mit erfolgreich ausgeführten Spezialangriffen oder dem Helfen innerhalb der Gruppe füllt. Bei dieser Angriffskette darf man alle Attacken der Charaktere hintereinander einsetzen, ohne das der Gegner eine Chance hat sich zu wehren. Allerdings wird die Gruppenleiste auch zum wiederbeleben der Kameraden benötigt, es sei also weise gewählt was man damit macht.
Auch wenn ein Mitglied fällt, heißt das noch lange nicht Game Over
Eine Welt für sich
Und egal wie man sich entscheidet zu kämpfen, die künstliche Intelligenz sieht dabei immer gut aus. Die Partner sterben so gut wie nie aus irgendwelchen Gründen die Frust auslösen könnten wie z.B. einen Berg runter zu fallen. Diesen Faktor kann man übrigens oder sollte man eigentlich im Kampf berücksichtigen. Nicht selten wird euch die Umgebung in den Kämpfen beeinträchtigen. Auf einer Brücke lässt sich schlecht eine Gegnergruppe umzingeln, in giftigen Sümpfen sollte man nicht gerade am Rand kämpfen und in einer Strömung treiben die Charaktere immer in eine Richtung weshalb man in Bewegung bleiben sollte. Durch den großen Bezug mit der Spielwelt entsteht die spezielle Atmosphäre einer lebendigen Welt und nicht bloß irgendeiner Karte mit bedeutungslosen Statisten. Durch das Titanen Szenario bekommt man das Gefühl, wirklich alles erkunden zu können, was im Endeffekt auch möglich ist. Und das erkunden ist in Xenoblade sehr wichtig, denn es gibt viel zu Entdecken. Spezielle Items die man auf dem Weg findet, welche die man nur von speziellen Gegnern bekommt oder eine ganz wichtige Quest von einer geheimnisvollen Person in irgendeinem unbekanntem Tempel. Die vielen unterschiedlichen und teils wahnsinnig weitsichtigen Gebiete des Titanen laden immer wieder zum erforschen ein, vor allem da jedes Gebiet bestimmte Merkmale hat und keines genauso aussieht wie das andere. Die Atmosphäre in der Welt von Xenoblade ist einfach nur wahnsinnig harmonisch und ruhig, wobei sie sich dann im Kampf mit einer Actionreichen abwechselt. Das ist wahnsinnig gut ausbalanciert und man hat nie das Gefühl von dem einen zu viel oder von dem anderen zu wenig zu haben, da man sich immer selbst entscheiden kann ob man kämpfen möchte oder nicht.
Die Vielfältige Welt von Xenoblade
Und so begibt man sich quer durch die große Welt von Bionis, um die Geheimnisse der Welt zu erforschen und neue Charaktere zu treffen die so viel Charme haben das man vor Freude heulen könnte. Die gesamte Story wird packend erzählt und auch Abseits von Zwischensequenzen gibt es auch lustige Dialoge zwischen den verschiedenen Charakteren. Allerdings nur auf englisch, was wirklich schade ist. Was auf gar keinen Fall schade ist, dürfte die Tatsache sein das Yoko Shimomura den Soundtrack mit komponiert hat. Tatsächlich lassen sich einige Parallelen zu dem Kingdom Hearts Soundtrack raus hören, was wirklich nichts schlechtes ist. Besonders das Main Theme ist ruhig und entspannend was perfekt zu dem minimalistisch aufgebauten Titelbildschirm passt. Aber auch der restliche Soundtrack ist in Xenoblade Chronicles einfach nur toll umgesetzt und passt immer perfekt zum jeweiligen Szenario.
Lass uns Freunde sein!
Insgesamt gibt es in dem Spiel wahnsinnig viel was man machen kann, aber nicht muss. Da gibt es z.B. den Wiederaufbau einer zerstörten Kolonie, was eine Art riesiger Sidequest ist. Denn die Homs auf Bionis leben in den verschiedenen Kolonien welche sich meistens am unteren Teil des Titanen befinden z.B. an der Wade. Ganz wichtig im gesamten Spiel ist auch das Harmonie-System. Bei diesem System handelt es sich, wie man es sich evtl. schon am Namen denken kann, um ein System welches die Harmonie zwischen euren Charakteren und allen (!) anderen Charakteren mit einem eigenen Namen darstellt. Dieses ist in mehrere Bereiche unterteilt und jeder Bereich wird mit einem bis fünf Sternen bewertet. Je nachdem wie der eigene Ruf in dem jeweiligen Bereich ist und wie sich die verschiedenen Einwohner dieses Bereiches miteinander verstehen. Auf Stufe 1 sind die meisten Charaktere noch sehr in sich geschlossen und reden wenig mit einander, doch wenn man sich einer Quest mit einem dieser Charaktere annimmt verändert sich evtl. seine Beziehung mit einem anderen Charakter oder ihr werdet von einem anderen Charakter dem ihr geholfen habt, einem wiederum anderen vorgestellt und es schalten sich wieder neue Quest frei. Dadurch ergeben sich unfassbar viele Spielstunden die man nur damit verbringen kann sich mit den Bewohnern der Welt zu beschäftigen, bis man den Zeitpunkt erreicht hat wo sich alle Bewohner in einem Bereich komplett verstehen. Und das kann sehr lange dauern.
Das Harmoniesystem
Und nicht nur die Harmonie mit den Bewohnern ist wichtig, sondern auch die in der eigenen Gruppe. So hat eine Gruppe die immer zusammen kämpft logischerweise eine bessere Harmonie, als eine Gruppe die kaum miteinander kämpft. Dadurch ergeben sich ebenfalls wieder andere Vorteile: Charaktere die einen guten Harmoniestatus haben, dürfen Techniken & Fähigkeiten ihrer befreundeten Charaktere anwenden und es lassen sich längere Angriffsketten bilden. Da kommt einem natürlich wiederum die Gewissensfrage auf: was wenn mal einer der Charaktere aus meiner Standardparty ausfällt? Hier brauch man sich keine Sorgen zu machen, die Erfahrungspunkte die man in den Kämpfen bekommt werden immer auf die gesamte Gruppe verteilt.
Technische Ansichten
Nach den vielen Beurteilungen über die Atmosphäre, dürfte wohl klar sein das sich Xenoblade dort sehr gut schlägt. Doch wie sieht es mit den anderen Sachen aus? In Sachen Steuerung gibt es erst einmal ein bisschen Ernüchterung: Wer das Spiel mit Wii-Fernbedienung und Nunchuk spielt wird eine Paar Probleme mit der Kamera bekommen, vor allem im Kampf. Es wäre dementsprechend von großem Vorteil sich extra für Xenoblade Chronicles einen Classic Controller zu kaufen. Das Spielgefühl ist etwas komplett anderes. Die Eingewöhnung in das Kampfsystem funktioniert recht schnell, besonders da es jede Menge gut übersetzter Tutorials gibt die einem den Einstieg ermöglichen und auch verschiedene Tipps für Einsteiger in das RPG-Genre bieten. Es ist also für alle gesorgt, egal ob man 10 Stunden am Tag, oder nur 20 Minuten am Wochenende spielt. Wenn man die Story mit ein paar Sidequests durchspielt, kann man die Haupthandlung in ca. 40 bis 60 Stunden beenden. Falls man wirklich alles erledigen will, kann man locker 100 Stunden in mehr in das Spiel stecken. Und keine Sorge, sollte man etwas in seinem ersten Durchgang der Story vergessen haben gibt es noch ein Neues Spiel+ wo man sein Level, sowie eine gewisse Anzahl an Ausrüstung aus dem vorherigen Spielstand mitnehmen kann. Aber es gibt noch viele andere nicht wirklich neue, aber nützliche Features im Spiel. Ein Schnellreisesystem, Speichern wo und wann man will, ein übersichtliches Inventar, eine Tauschfunktion mit der man mit den Charakteren in der Welt verhandeln kann, kaum Ladezeiten, Gut gesetzte Checkpoints von denen man nach dem Tod direkt wieder beginnen kann und vieles mehr. Würde ich noch mehr aufzählen würde es schon sehr bald langweilig werden weshalb ich hier einfach mal einen Schlussstrich ziehe.
Fazit
Bei all dem Positiven was ihr jetzt über Xenoblade Chronicles gehört habt, darf man sich berechtigt die Frage stellen: „Was macht das Spiel den jetzt nicht gut?“ Die Antwort ist simpel und gleichzeitig bizarr. Es macht alles gut, was es gut machen kann. Vielleicht liegt es aber genau daran das Xenoblade Chronicles so gut ist. Es versucht nichts neu, sondern es baut einfach seine Stärken in alle Richtungen aus und leistet sich dabei keine wirklich fatalen Schnitzer. Einzig die fehlende deutsche Synchronisation, die doch etwas groben Texturen bei manchen Nahaufnahmen der Charaktere oder die schwierige Kamerasteuerung bei der Fernbedienung und Nunchuk Steuerungsvariante stören ein bisschen. Das sind aber wirklich Luxusprobleme. Ich kann wirklich nur jedem empfehlen, falls er mal wieder ein wirklich tiefgründiges Rollenspiel mit viel Umfang und nicht der neusten High-End Grafik spielen will, sich sofort Xenoblade zu holen und zu spielen. Mit einem Classic Controller. Jetzt. Sofort. Warum sitzt du noch hier? Hol es dir jetzt! Hör gefälligst auf diesen Text zu lesen und hol dir das Spiel!!!
Text: TerrasKeyblade
(Dieses Review ist bereits auf cetraconnection.net erschienen)