Es gibt Spiele, die man, ohne ihre Regeln zu beherrschen, nicht spielen kann. Schach ist so ein Spiel. Und es gibt Spiele, die daraus bestehen, ihre Regeln erst herauszufinden. Dazu gehört Antichamber.
Vor einem liegt eine Escher-artige Umgebung, die aus Tunneln, Räumen und Schächten besteht, durch die man hindurch finden muss. Der Ausgang ist bekannt, der Weg dorthin jedoch nicht. Die Optik ist sehr minimalistisch, sie besteht aus geometrischen Gebilden und starken Farbkontrasten.
Schnell wird klar, dass die Navigation durch Räume in Antichamber ihren eigenen Regeln folgt. Man begibt sich an einen Ort, an dem physikalische Gesetze existieren, die in der echten Welt unmöglich sind. Der Entwickler selbst beschreibt die Spielwelt als „nicht-euklidische Geometrie“. So kann es vorkommen, dass man einen Raum verlässt und wenn man wieder zu ihm zurückkehren möchte, eine völlig unbekannte Kammer vor einem liegt. Der ursprüngliche Raum ist verschwunden. Regelmäßig fällt man beim Spielen unerwartet durch Böden oder kann durch eine auf den ersten Blick solide Wand hindurch laufen.
Die Welt durchschreitet der Spieler in der First-Person-Perspektive. Es erfordert viel Verstand und Rätselgeschick, um herauszufinden, wie man durch die verwobene Welt hindurch gelangt. Als Spieler ist man dabei Forscher, der eine neue Welt beschreitet und der nie weiß, was ihn als nächstes erwarten wird. Auch wenn ein Großteil der Zeit eine Erfahrung voller Wunder und ungeahnten Wendungen ist, kann es gelegentlich auch frustrierend werden, wenn man vor scheinbar unlösbaren und damit zeitintensiven Rätseln steht. Hier ist die Balance nicht immer gut gelungen und das verleitet dazu, auf Lösungshilfen zurückzugreifen.
Im Verlauf des Spiels werden Geräte erlangt, sogenannte „Guns“, die es einem beispielsweise ermöglichen, Farbblöcke aufzusammeln, aus denen die Welt selbst besteht. Die Rätsel werden dadurch stufenweise komplexer. Die Farbblöcke können aus der Welt genommen werden und dadurch Durchgänge schaffen. Sie müssen aber auch aktiv in der Welt platziert werden, beispielsweise um Lichtschranken zu blockieren.
Antichamber gilt als ein philosophisches Spiel, welches einem nicht nur zum Nachdenken über die Rätsel, sondern über sein eigenes Leben anregen soll. Ob das immer gelingt, ist fraglich. Manch einer fühlt sich beim Spielen eher auf einem bunten Drogentrip und findet das alles „brainfuck“. Und manch anderer wird beim Spielen nur noch über die Lebensdauer seiner Maus oder Tastatur nachdenken, weil er 50 Versuche braucht, um in den Raum zu gelangen, den er durch ein Wandfenster schon sehen kann. Andererseits begegnen dem Spieler von Anfang an Weisheiten oder kryptische Aussagen auf seiner Reise.
„Every journey is a series of choices. The first is to begin the journey.“
Diese können Hinweise darauf sein, wie man sich in Antichamber zurechtfinden kann und in welche Richtung gedacht werden muss. Aus manchen dieser Statements kann man auch einen Denkanstoß mitnehmen, der über das Spiel hinaus reicht.
„Failing to succeed does not mean failing to progress.“
Das Besondere an Antichamber ist, dass es sich angenehm aus der vielfach sehr einheitlichen und standardisierten Spielewelt abhebt und den Spieler mit unkonventionellen Ideen überzeugt. Bei vielen Spielen ist bereits vor dem Kauf vorhersehbar, welches Gameplay einen erwarten wird. Antichamber schafft es, einen immer wieder zu überraschen.
Interessant ist auch die Geschichte von Antichamber, das allein vom Indie-Entwickler Alexander Bruce entwickelt wurde. Über Jahre hinweg arbeitete er an verschiedenen Prototypen, kurios dabei: ursprünglich wollte Bruce einen Snake-Klon in 3D programmieren. Erstaunlich, welche Vision sich aus dieser simplen Idee entwickelt hat.
Webseite: antichamber-game.com